Ein wenig erinnerte das alte, gegenüber dem Stephansdom situierte Dom- und Diözesanmuseum an ein Dorfmuseum. Hinter zugenagelten Fenstern und deshalb ohne Blick auf den Stephansdom schienen die hier gezeigten Kostbarkeiten in einer Art Dornröschenschlaf zuletzt um die Aufmerksamkeit weniger „Eingeweihter“ zu buhlen. Zeiten, die seit Herbst 2017 nach den Umbauarbeiten des in Wien lebenden Architekten Boris Podrecca der Vergangenheit angehören: Fünf Jahre nach der Schließung des 1933 gegründeten Museums präsentieren sich die zum Teil einzigartigen Objekte nun erneut in den (einst angestaubten) Räumlichkeiten frisch herausgeputzt. Für das gewisse Etwas im Ausstellungs- und Museumsdesign sorgt eine elegant-moderne Lift-Glaskonstruktion, die sich im Zentrum des ehemaligen Palais perfekt in die Architektur einfügt. Vom lichtdurchfluteten Eingangsbereich (mit integriertem Museumsshop) geht es per Knopfdruck in den ersten Stock, wo Sonder- und Dauerausstellung weniger durch ihre Größe als durch die überschaubar gehaltenen, dafür prominent in Szene gesetzten Exponate überzeugen. Unter ihnen so mancher „Eye-Catcher“ der Geschichte.
Zu den Highlights der neu präsentierten Sammlung – die sich aus Schätzen des Stephansdoms, verschiedenen Pfarren der Erzdiözese Wien sowie Exponaten moderner Kunst des ehemaligen Dompfarrers und Kunstkenners Otto Mauer zusammensetzt – zählen ein Portrait von Rudolf IV. (auch genannt „der Stifter“) aus der Mitte des 14. Jahrhunderts sowie das Grabtuch in das der Leichnam des einstigen Herrschers 600 Jahre lang eingenäht war. Letzteres ein mit Goldfäden bestickter Seidenstoff auf dem in arabischen Schriftzügen Segenwünsche für einen Herrscher des Mongolenreichs geschrieben stehen. Wie das bis heute gut erhaltene Gewand nach Mailand – dem Sterbeort Rudolfs – und an den Körper des Regenten gelangte, konnte bis heute nicht geklärt werden.
„Bilder der Sprache und Sprache der Bilder“
Noch der genauen Erforschung harren auch wie und wann es zur Erfindung jener Geheimschrift kam, derer sich Rudolf in mehreren Dokumenten bediente (von der Forschung belegt ist bis dato, dass Rudolf der erste gewesen ist, der diese verwendete). Passend zu der mysteriös wirkenden Schrift mit der der Herzog unter anderem eine Reliquien-Schenkung bestätigte, beschäftigt sich eine Rauminstallation der österreichischen Künstlerin Johanna Kandl mit jenen geheimen Zeichen. Nicht das einzige Kunstwerk von Kandl (ebenfalls noch bis Sommer 2018 zu sehen: eine Malerei mit Textelementen), das aktuell die Wände ziert.
Dem neuen Konzept folgend, alte und neue Kunst in Dialog treten zu lassen, sollen in Zukunft regelmäßig Sonderausstellungen zu sehen sein. Den Anfang macht die Schau „Bilder der Sprache“. Gezeigt werden neben historischen Schätzen – vom „Antichrist-Bildertext“ aus dem 15. Jahrhundert über „The First Book of Urizen“ von William Blake von 1794 bis hin zum Kiddusch-Becher aus der Mitte des 17. Jahrhunderts – rund 20 Arbeiten zeitgenössischer Künstler zu verschiedenen Themenbereichen, die sich mit der Verbindung von Wort und Bild auseinandersetzen. In den Rubriken „Schrift im Raum“ und „Text im Bild“ finden sich neben den erwähnten Arbeiten Kandls auch ein vieldeutiges Video von Kamen Stoyanov, in dem dieser ein Schlauchboot das Wort „impossible“ ins Wasser schreiben lässt, sowie Siggi Hofers Auseinandersetzung mit dem christlichen Wertesystem seiner Heimat Tirol „Gott ist aus Gold“. Sowohl Stoyanov wie Hofer zählen zu den Preisträgern des Otto Mauer Preises. Der Preis wurde im Andenken an den Begründer der Sammlung moderner Kunst, Monsignore Otto Mauer, 1989 ins Leben gerufen. Aktuell umfasst das Museum rund 3.000 Werke zeitgenössischer Kunst. Die Palette der Arbeiten reicht von Gustav Klimt über Alfred Kubin bis hin zu Leo Zogmayer, der mit einer Reihe von Sitzmöbel in der Sammlung vertreten ist und zu Beginn oder zu Ende des Ausstellungsrundgangs zur konzentrierten Betrachtung (Kontemplation) einlädt.
Dom Museum Wien
Stephansplatz 6
1010 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr , Donnerstag 10 bis 20 Uhr
Montag, Dienstag geschlossen
(Am 24. Dezember schließt das Museum bereits um 14 Uhr. Am 25. und 26. Dezember bleibt das Museum geschlossen)
www.dommuseum.at
Sonderausstellung
Bilder der Sprache
Noch bis 26. August 2018
http://www.dommuseum.at/de/ausstellungen/bilderdersprache-sprachederbilder/
360 Grad Rundgang durch den Stephansdom
Titelbild: Ausstellungsansicht „Bilder der Sprache und Sprache der Bilder“, Dom Museum Wien Foto: Lena Deinhardstein
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